Um genetische Diversität zu erhalten und die Entstehung neuer Prädispositionen für Krankheiten und Defekte zu vermeiden, sind der Inzuchtkoeffizient und die Diversität die wichtigsten Marker, die bei einer Zuchtentscheidung zur Verfügung stehen.
Hierbei gibt es die rechnerischen, theoretischen Werte und die genomischen Daten, die anhand der DNA eines Hundes den tatsächlichen Inzuchtkoeffizienten und die vorliegende Heterozygotie wiedergeben.
Die rechnerischen Werte stellen einen theoretischen Ansatz der Vererbung bei einer Verpaarung dar, die beiden Marker sind hierbei der rechnerische COI und der rechnerische AVK. Die genomischen Werte legen die tatsächlich vorliegenden genomischen IK und die Heterozygotie offen. Diese sind aus diesem Grund stets und ohne Ausnahme immer den rechnerischen Werten vorzuziehen.
Wir verpaaren nach genomischem IK. Dieser ist wesentlich genauer, als der rechnerische und ermöglicht richtig angewandt konkrete Vorhersagen zur Diversität eines Wurfes.
Zu häufig gibt es leider auch heute noch Verpaarungen, die aus falscher Ideologie, oder schlicht zugunsten eines tollen Rüden oder gar eines Farbschlages auf Kosten der Inzuchtwerte gehen. Aus unserer Sicht ist das nicht zu vertreten.
Tatsächliche Diversität und genomischer Inzuchtkoeffizient
Seit der neusten Studie (Bannasch, D., Famula, T., Donner, J. et al. The effect of inbreeding, body size and morphology on health in dog breeds. Canine Genet Epidemiol 8, 12 (2021)) über den Einfluss von Inzucht, Größe und Morphologie auf die Gesundheit bei Hunderassen, ist der genomische Inzuchtkoeffizient in aller Munde. Das Forscherteam untersuchte für die Studie genetische Proben von ca. 50.000 Hunden mit dem beunruhigenden Ergebnis von sehr hohen genomischen Inzuchtkoeffizienten. Der Collie wird dabei an dritter Stelle genannt, also rein zahlenmäßig der drittschlechteste Wert. Darüber schreiben nun alle, auch berühmte Tierärzte und viele andere. Explizit der Collie wird immer wieder negativ erwähnt. Was sie dabei aber leider immer wieder vergessen zu erwähnen, ist die Tatsache, dass der Collie trotz allem aus dem Schema fällt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rassen, wo der hohe genomische Inzuchtkoeffizient mit einer hohen Morbidität korreliert, verhält sich das bei dem Collie, neben wenigen weiteren Rassen, nämlich völlig entgegengesetzt. Der Collie ist überaus langlebig und sehr robust und keineswegs krankheitsanfällig. Das ist so besonders, dass diese Tatsache explizite Erwähnung der Autoren findet. Sie schreiben:
"There were interesting exceptions to the correlation of inbreeding and health. The Border terrier, Basenji, Collie, and English setter breeds have high inbreeding but low morbidity." Nun, das ist aus meiner Sicht doch eine sehr relevante Tatsache, die im Zusammenhang mit der Erwähnung des hohen COI, doch bitte ebenfalls genannt werden sollte, ansonsten ist es schlicht und ergreifend Framing und nicht in Ordnung. Führe ich diese Tatsache in Diskussionen an, kommt dann gleich die Gegenanmerkung, dass die Autoren bei dem Versuch diese Kuriosität zu erklären, davon ausgehen, dass bei dem Collie bestimmte Gene weggezüchtet wurden, weshalb es zu der Langlebigkeit und der Robustheit kommt. Also liebe Leute, ich mein es nun wirklich nicht böse, ich finde einen hohen IK ebenfalls ganz und gar nicht gut und ich möchte keineswegs etwas beschönigen, aber wenn es jemandem gelungen sein sollte, Langlebigkeit und Robustheit anzuzüchten, dann kann ich dazu nur vom Herzen gratulieren. Natürlich gilt dennoch unbestritten, je niedriger der COI und der genomische IK, desto besser und das gilt es auch unbedingt zu beachten, damit der Collie auch weiterhin gesund, robust und langlebig bleibt. Alle verfügbaren Möglichkeiten, um den Inzuchtkoeffizienten der Rasse zu senken, sollten unbedingt und dringend genutzt werden. Nur sind die beiden Werte dabei völlig unterschiedlich zu betrachten. Der rechnerische COI beschreibt die Vererbung der elterlichen Anlagen in der Theorie, 50% von der Mutter, 50% von dem Vater. In Wirklichkeit befindet sich jeder Nachkomme aber nicht genau in der Mitte, daher die Diskrepanz. Theoretisch gleicht sich das aber in Summe aus, so dass man auf mehrere Würfe und Generationen im Schnitt trotzdem ungefähr in der Mitte landet. Funktioniert der rechnerische COI nun aber scheinbar doch nicht? Doch. Das Problem des hohen genomischen IK liegt nicht darin begründet, dass der rechnerische COI nicht funktioniert, er wurde schlicht über Jahrzehnte missachtet und ständig überschritten. Und dann hat sich schon so viel verschoben, dass nun die korrekt angewandte Theorie nicht mehr greifen kann, weil die Mitte längst keine mehr ist. Bei Zoo- und Nutztieren, wo der Fokus ein völlig anderer war, funktioniert der rechnerische COI ganz wunderbar. Im Gegensatz zu dem rechnerischen COI gibt es bei dem genomischen IK auch nie ein richtiges Null, bei Mischlingen werden Werte um die 3,5-4,5% (auf mindestens 10 bis 20 Generationen) angegeben und allein innerhalb eines Wurfes können Geschwister völlig unterschiedliche Werte haben, laut Frau Dr. Geretschläger ist eine Schwankung bis zu 10 Prozentpunkte möglich. Das ist nicht wenig. Der genomisch IK ist also so oder so, völlig separat und einfach auch anders zu bewerten als der Rechnerische.
Hinzu kommt, dass man bitte beachten sollte, dass die durchgeführte Studie anhand von Versicherungsdaten entstanden ist. Gesunde Tiere gehen eher aus einer Versicherung, als Kranke, hier wurden also potenziell kranke und anfällige Tiere ausgewertet und nicht die eher Gesünderen. Dass im Normalfall eher die anfälligeren Tiere einen vergleichsweise höheren IK haben ist logisch. Es ist folglich aus meiner Sicht so viel bios drin, dass eine Aussage generell eher schwierig ist. Und dennoch schneidet der Collie im Punkt Morbidität derart super ab. Das ist es, worüber alle reden sollte, denn darauf kommt es letztlich an, gesunde, robuste, langlebige Hunde. Nur wollen wir doch auch alle, dass es auch bitte so bleibt. Und dafür muss dringend was passieren und das sofort. Der Collie genießt schlicht riesigen Segen, dass er von der Inzuchtdepression bisher nicht betroffen ist. Und man male sich erst aus, wie robust und langlebig er erst wird, wenn jetzt auch noch der genomische IK verbessert wird. :-)
Sansa hat ein ISAG 2020 bei Labogen, Feragen und Embark, mit zusätzlicher Diversitätsauswertung bei Feragen. Mit einem genomischen IK von lediglich 6% und der Heterozygotie von 32% (beides auf 6 Generationen sequenziert) gehört sie mit Abstand zu den Besten ihrer Rasse, laut gängiger Expertenmeinung ist ein genomischer IK von unter 10% hierbei als gering anzusehen.
Wir verpaaren nach genomischem IK unter der Berücksichtigung der Diversität und mit Match Kontrolle, damit jeder einzelner Wurf eine Bereicherung für die Population darstellt, und keine Verschlechterung. Die Verpaarung nach genomischem IK ist der absolute Goldstandard. Aber: In keinem Fall kann jetzt die Lösung sein, deshalb auch den rechnerischen COI nun gar nicht mehr zu beachten. Natürlich gilt noch immer, je niedriger der rechnerische COI, auf möglichst viele Generationen, desto besser. Der genomische IK ist dem rechnerischen COI stets vorzuziehen. Will man das nicht, muss zumindest der rechnerische COI bestmöglich berücksichtigt werden.
Haplotypen
Die Hyplotypen stellen bei jeder Verpaarung ein weiteres, sehr wichtiges Augenmerk dar. Die Haplotypen sind Nukleotidsequenzen, die aus den Allelen mehrerer Gene zusammengesetzt sind und als Gruppe vererbt werden. Die DRB1, DQA1 und DQB1 sind so genannte Klasse II Gene und bilden einen Teil der frühen Phase in der Immunabwehr. Bei einer Verpaarung erhält der Welpe einen Haplotyp von der Mutter und einen von dem Vater. Optimalerweise sind diese dann unterschiedlich, so kann der Körper dann im Fall der Fälle optimal auf veränderte Umwelteinflüsse hinsichtlich Bakterien, Viren, usw. reagieren. Leider gibt es bei dem Collie fast ausschließlich nur noch einen Haplotyp, nämlich DRB1: 00201, DQA1: 00901 und DQB1: 00101. So kommt es dann, dass alle Welpen aufgrund der identischen Haplotypen der Eltern ebenfalls auf nur einem Haplotyp landen. Das Ergebnis ist
DRB1: 00201/00201
DQA1: 00901/00901
DQB1: 00101/00101.
Optimaler Weise sollten in jeder Zeile zwei verschiedene Zahlen stehen.
Manchmal gibt es bei dem Collie noch minimale Varianzen bei dem DRB1. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen anderen Haplotyp (dann wären alle 3 DLA unterschiedlich), sondern lediglich um ein minimal anderes DLA Gen in der Gruppierung. Leider ist diese Abweichung hierbei laut meiner schriftlich vorliegenden Anfrage bei Fr. Dr. Geretschläger vernachlässigbar marginal. Sollte bei dem Collie ein anderer Haplotyp auftauchen, sollte es das primäre Ziel sein, diesen zurück in der Rasse zu etablieren. Auch bei Auskreuzprojekten jeglicher Rassen sollte eben das im Vordergrund stehen, was leider nahezu immer keiner Beachtung findet und auch deshalb nachweislich nicht zum Erfolg führt.
Bisher fährt der Collie sehr gut mit seinem Haplotyp, man könnte auch meinen, gerade deshalb hat sich dieser so gut etablieren können. Um für die Zukunft noch besser aufgestellt zu sein, wäre eine Varianz hier jedoch absolut wünschenswert.
Mehr zu den Haplotypen zum Nachforschen findet Ihr bei Feragen.
Auch gibt es bei Feragen diverse Webinare zum Thema. Jedem einzelnen Züchter kann ich das von Herzen nur ans Herz legen. Einen absolut kostenfreien Überblick zum Thema bekommt man hier.
Rechnerischer Inzuchtkoeffizient und Ahnenverlust
Für den Amerikanischen Collie wird momentan ein rechnerischer Inzuchtkoeffizient von nicht höher als 6%, auf vier Generationen gerechnet, empfohlen. Bei dem Ahnenverlustkoeffizienten sollen dabei 80% nicht unterschritten werden. Das ist aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreichend. Wir empfehlen einen maximalen rechnerischen COI von 0,5%, auf sechs Generationen gerechnet und einen Ahnenverlustkoeffizienten von mindestens 90%. Man sollte stets sein Bestes geben, um noch besser zu verpaaren, um den optimalen Werten von 0% Inzuchtkoeffizient und 100% Ahnenverlustkoeffizient, gerechnet auf möglichst viele Generationen, möglichst nahe zu kommen.
Der Inzuchtkoeffizient und der Ahnenverlustkoeffizient sind überaus wichtig, wenn nicht die wichtigsten Marker für eine züchterische Entscheidung überhaupt. Richtig eingehalten helfen sie enorm die vorhandene Diversität zu erhalten. Abstriche hierbei können langfristig auf die Kosten der Gesundheit der gesamten Rasse gehen.